als anwohnerin
"bombastique. charmante schüler pimpen das karoviertel mit ihrer bezaubernden aura.
ich als anwohnerin war entzückt von soviel kreativität, emsigkeit und liebe."
als lehrerin
"ich war wirklich beeindruckt.
meine schüler hatten aber auch viel glück, sie konnten bauen UND essen und hatten super zugewandte liebe künstler.
es war eine wirklich wunderbare atmosphäre. ich habe meine schüler noch nie so engagiert und fleißig und fokussiert gesehen.
ein hochgenuss."
(kleinschreibung im Original!)
Im Beitrag „Riesenorigami“ im Rahmen des Projektes Karolonia der Kulturagenten für kreative Schulen der Stadt Hamburg habe ich miterlebt, wie die Schüler der Klasse 9 der Gretel-Bergmann-Schule
ihre bis dahin manchmal mühsam entwickelten Rollen als Streber, Klassenclown, Intelligenzbestie, Totalverweigerer oder Mitläufer von wem auch oder was auch immer zugunsten einer mehr oder weniger
großen Portion Eigenverantwortlichkeit, Selbstermächtigung und Verantwortungsbewusstsein durch die von ihnen selbst entwickelte Idee, einen Riesenpapierflieger von dem Luftschutzbunker im
Hamburger Karolinenviertel herunter segeln zu lassen, aufgaben. Mit spielerischer Leichtigkeit und fast nebenbei entstand nach einem ersten "Tag der Enttäuschung" über langweiliges,
kleinformatiges und kontemplatives Origami-Papierfalten („Falten, wie langweilig. Sowas mach ich doch nicht mit!“), plötzlich mit der Suche nach dem geeigneten Ort der Platzierung des am nächsten
Projekt- „Tag der Überdimensionierung“ gemeinschaftlich gefalteten Riesenpapierfliegers beauftragt, eine Eigendynamik in der Gruppe, die die jeweiligen Rollen der Schüler in der Klasse nebenbei
und beinah mühelos auflöste.
Zentral dafür war, bei aller Simplizität der Idee, das Begreifen der Dimensionen und Komplexität des Bildes, einen lebensgroßen Papierflieger vom Dach eines Luftschutzbunkers zu werfen, mit
seinen Bezügen zur Deutschen Weltkriegsgeschichte, seinen Ebenen zum aktuellen Weltgeschehen und seiner Kraft, auch in die Zukunft hinein zu wirken. Diese Erkenntnis versorgte die Gruppe mit
soviel Einsatzwillen, Kraft und Ausdauer, dass sogar die damit verbundenen, scheinbar unüberwindlichen und für solche Fälle geschaffenen gesellschaftlichen Blockaden und Widerstände der
ordnungsbehördlichen Autoritäten, von Polizei und Feuerwehr wie die der Verwaltung ins Wanken gerieten. Letztlich entschuldigten sich Polizisten dafür, eine solch „charmante und inspirierende
Idee" qua Amt leider unterbinden zu müssen („Insgeheim finden wir das gut!“). Der benachbarte Fußballverein FC St. Pauli war nicht abgeneigt von der Idee, den Flieger von der Tribüne auf den
heiligen Rasen segeln zu lassen, etc…
All die schwierigen Wege, ihre Idee Wirklichkeit werden zu lassen, haben die Schüler selbständig und eigenverantwortlich aufgetan, verfolgt und nach Möglichkeiten untersucht. Mancher hat über
seinen Schulfreund und dessen Einsatzwillen gestaunt, Rangordnung und die Hierarchie in der Gruppe mussten neu verhandelt werden, das erzeugt Lebendigkeit und persönliche Entwicklung wie ein
(Neu- und anderes) Zusammenwachsen der Gruppe in bis dahin unbekannter Form. Der Raum der vermeintlichen Unsicherheit, der Ratlosigkeit und des Zweifels über den Sinn dieser Veranstaltung
verwandelte sich mehr und mehr in einen des selbstermächtigten Handelns, des Vertrauens in eigene Fähigkeiten und in Dialogbereitschaft zum Teilen der Vorstellungen und Ideen. Einige entwickelten
ihre Durchsetzungskraft im Dialog mit den Behörden, andere ein besondere Gespür für Materialien.
Was ist der Schlüssel zu dieser Erfahrung und welche Attribute brauchen wir, um den überpersönlichen Krisen von Klimawandel und allgegenwärtiger Plastikvermüllung der ganzen Welt samt Verzagtheit
der Politik und dem postulierten alternativlosen Wachstumsanspruch der Wirtschaft gegenüber zu treten?
Die Schüler kommen mit ihrer Rolle als aufnehmende Schüler, die LehrerInnen kommen mit ihrer Rolle als die-Schüler-mit-Wissen-versorgende Klassenleiter, der Künstler mit seiner Rolle, etwas
sichtbar zu machen, was vorher unsichtbar war und bestenfalls innovativ ist, in die Projekte. Das bringt eine große Portion Unsicherheit hervor, produziert Ratlosigkeit auf allen Seiten, erzeugt
Konfliktpotentiale und die Gefahr des Scheiterns des vorgegebenen Inhaltes. Dabei ist das gemeinschaftlich entwickelte Ziel, einen Riesenpapierflieger von einem Luftschutzbunker zu werfen bei
aller Symbolhaftigkeit und Theatralik nur das Initiieren eines gruppendynamischen Prozesses, in dem sich die Rollen auflösen können. Damit entstehen Ratlosigkeit, Verwirrung, Unsicherheit und die
Gefahr des Scheiterns in großer Vitalität. In diesem lebendigen Raum können Eigen- und Mitverantwortung für die Gruppe, Selbstermächtigung und persönliches Wachstum aufkeimen und gedeihen. Der
Schlüssel liegt im Annehmen dieser Unsicherheit, Ratlosigkeit und im Aushalten des möglichen Scheiterns am formalen Ziel dieser Zusammenarbeit zugunsten von Lebendigkeit durch künstlerische
Aktionen.
Die Künstler brauchen für solche Unternehmungen vor allem eines: Mut!“